Schulpflichtig! In einigen Ländern der Welt gibt es sie bis heute nicht und auch in Deutschland ist sie noch nicht so lange Zeit Gesetz: Die Schulpflicht. Sie garantiert, dass alle Kinder die nötige Bildung erhalten, um anschließend eine betriebliche Ausbildung zu absolvieren oder studieren zu können. Jedes Jahr nach den Sommerferien tritt eine neue Generation ABC-Schützen mit bunten Schultüten und niegelnagelneuen Ranzen ihren langen Weg durch bis zu 13 Schuljahre an.
Wenn schon in einigen Wochen die Schulanfänger und alle anderen Schüler ihren Schulbedarf nach den Ferien vorfreudig und aufgeregt in den Ranzen packen, dann genießen sie damit ein Privileg, das vor ein paar Jahrhunderten noch nur den Bessergestellten vorbehalten war. Heutzutage wird es von den Kindern häufig als lästig angesehen, schulpflichtig zu sein. Im antiken Griechenland gab es die Bildung in privaten Schulen nur für bürgerliche Jungen, die in körperlichen Disziplinen sowie der Dichtkunst unterwiesen wurden. Adelige Jungen und Mädchen wurden in staatlichen Erziehungshäusern auf ihre späteren Rollen als Soldaten bzw. Hausfrauen und Mütter vorbereitet.
Ab etwa 300 vor Christus hatten alle Kinder freier Menschen Zugang zu den staatlichen Schulen, wo sie Lesen und Schreiben lernten und enzyklopädisch gebildet wurden.
Die ersten staatlichen Schulen
Auch im Römischen Reich wurden die Kinder, oftmals von hochgebildeten griechischen Sklaven, in Grammatik, Literatur, Sprache und Mathematik unterrichtet. Den ärmeren Kindern wurde immerhin Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht.
In den folgenden Jahrhunderten war die Kirche mit ihren Bibliotheken und Klosterschulen der bedeutendste Träger der Bildung. Die Jungen und Mädchen wurden unter anderem in Grammatik, Rhetorik, Musik und Astronomie unterwiesen. Karl der Große gründete schließlich um das Jahr 800 herum Hofakademien sowie Hof- und Stiftschulen, an denen die Bildung allen jungen Menschen zugänglich sein sollte. Der bedeutende Ritterstand ließ seinen Zöglingen eine Erziehung in sportlichen Disziplinen wie u.a. Reiten oder Fechten, aber auch im Reimen oder Schachspielen zukommen. Als Mitte des 13. Jahrhunderts Handel und Gewerbe aufblühten, entstanden die ersten städtischen Schulen, an denen Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt wurden.
Das moderne Bildungsideal
Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde das Bildungsideal immer weniger von kirchlichen Dogmen und stattdessen immer mehr von den bedeutender werdenden Wissenschaften beeinflusst. Um das Jahr 1650 herum reformierte der Bischof Johann Amos Comenius das Schulwesen, indem er ein vierstufiges Bildungssystem schuf, das allen Kindern den Zugang zum Wissen ermöglichte.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hielten mehr und mehr pädagogische Ideen Einzug in das Bildungsideal, bis die verschiedenen deutschen Bundesländer schließlich in den 1950er Jahren die Schulpflicht einführten. Diese besteht bis heute und ist der Grund dafür, dass auch dieses Jahr im August ganz kleine und nicht mehr ganz so kleine ABC-Schützen vorfreudig oder ein wenig seufzend ihre Schulranzen packen werden. Schulpflichtig zu sein hat zwar für die Kleinen einen bitteren Beisgeschmack, allerding erfüllt die Schulpflicht einen wichtigen Zweck: ein gebildete Gesellschaft.